Einige Anmerkungen über das Arrangieren für 20er

Dieser Text hier ist schon ziemlich alt – ich habe nun das Arrangieren mit viel mehr Details und Notenbeispielen hier beschrieben. Diesen Text hier werde ich bald entfernen.

 

Nun arrangiere ich schon seit 5 Jahren für diverse mechanische Musikinstrumente: Vor allem für "20er"-Orgeln, aber auch mehrere 26er und andere Skalen, die Triola (eine mechanische Zither), verschiedene Zungenorgeln usw.usf. - kurz: für fast alle Arten von mechanischen Orgeln ...

Ich dachte einmal, dass ich die 20er wegen ihres begrenzten Tonumfanges bald leid sein würde - tatsächlich ist der Großteil meiner Arrangements für 20er. Warum? Ich denke, daß es vor allem an der Herausforderung liegt: Eine diatonische B-Dur-Skala mit etwas mehr als zwei Oktaven, dazu noch zwei e's für einen gelegentlichen Ausflug nach F - was kann man da schon machen? - mehr als man glauben könnte! So moduliert das Arrangement von Jelly Roll Mortons Shreveport Stomp durch 6 Tonarten!

Mein erster Arrangierversuch war ... zum Wegwerfen. Die Augen (oder Ohren?) geöffnet hat mir der Beginn eines Arrangements von Melvyn Wright (eine Aufnahme ist dort noch unter www.melright.com/busker/harmonet.htm zugänglich, allerdings nicht die viel klarere, die ich notiert habe). Beim Niederschreiben habe ich vier wichtige Tatsachen entdeckt:

  1. Ich habe 4 Notensysteme benötigt, um das Arrangement zu notieren! 20 Noten insgesamt - und 4 Systeme für ein einfaches Musikstück. Warum? Einfach: Drehorgelmusik (wie fast alle mechanische Musik) ist nicht begrenzt durch die Anzahl der Hände oder Hände plus Füße. Eine Drehorgel ist eigentlich wie ein kleines - sehr kleines - Orchester. Daher kann man - und muss! - die Stimmen "funktional" entwerfen:

    ... sind mindestens nötig. Zusätzlich kann man vorsehen:

    Meine Standardvorlage für 20er-Arrangements hat 4 Systeme, von oben nach unten für Überstimme, Melodie, Gegenmelodie und Begleitakkorde sowie Bassstimme. Manchmal füge ich noch ein System für Melodieparallelen oder weitere Bassnoten hinzu.

    Üblicherweise beginne ich mit Melodie und Basslinie und füge dann die Begleitakkorde oder -akkordzerlegungen ein. Danach wird die Melodie "aufgefettet" (mit Terzen, Akkorden usw.), und schließlich folgen die Verzierungen. Wenn dann dazwischen noch etwas Platz bleibt (öfter als man denkt!), lege ich noch eine Gegenmelodie o.ä. hinein. Das war's? Beileibe nicht ...

  2. ... denn das Ergebnis klingt meistens ausgesprochen langweilig. Der Grund ist, dass die "nackten Noten" nur der erste Teil eines akzeptablen Arrangements sind. Der zweite Teil ist der musikalische Ausdruck - für eine kleine Drehorgel ist das i.w. gleichbedeutend mit Notenlägen: Stakkato oder legato, minimale Pausen vor oder nach Noten, das Verziehen einer Verzierung nach vorne oder hinten - erst das macht die Musik "lebendig" (hier ich muss noch viel lernen ...). Manche Regeln findet man schnell heraus::

     

  3. 20er-Arrangements haben nur wenige Möglichkeiten zur musikalischen Variation - daher sind Verzierungen besonders wichtig. Die Möglichkeiten sind endlos, und endlos sind auch die Möglichkeiten, es falsch zu machen. Die Hauptsünde sind zu viele Verzierungen - hier muss ich noch Zurückhaltung lernen, fürchte ich. Eine weitere Unart sind immer gleiche "Standardverzierungen", z.B. lange hohe Triller. Ich denke, zwei meiner Arrangements variieren die Verzierungen genügend: "Ihr Kinderlein, kommet" und "The Entertainer".
     
  4. Das letzte, was ich von Melvyn Wrights Arrangement gelernt habe, ist die Möglichkeit zum "Tricksen": Die Einleitung des genannten Arrangements enthält einen Lauf bis zum dreigestrichenen Es (in B-Dur) - obwohl es diese Note auf der 20er gar nicht gibt! Unser Ohr ergänzt den Lauf bis zum "logischen Ende". Ein anderer Trick ist das Stehenbleiben auf einer Bassnote, wenn eine andere Note nicht zur Verfügung steht - man merkt zwar "da war was", aber die meisten Zuhörer entdecken nie, was genau los war - es geht zu schnell vorbei (Beispiel in der Einleitung zu "Weeping Willow"). Allerdings funktionieren solche Tricks wahrscheinlich nur bei schnelleren und unbetonten Passagen.

Das war's - alle meine gesammelten Weisheiten. Nr. 1. und 2. sind wohl grundlegend für das Arrangieren. Zum Rest (v.a. alle Dinge, die ich vergessen habe - was ist mit Rhythmus?!) - naja, da habe ich noch einiges zu lernen. Wenn ich was Neues finde, schreibe ich's hier dazu ... bei Interesse ab und zu hier vorbeischauen!

P.S. Erst beim Niederschreiben ist mir aufgefallen, dass hier jegliche Notenbeispiele fehlen ... Naja, vielleicht habe ich später einmal Zeit dazu.

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