Eine kurze Einführung in das Arrangieren für kleinere Drehorgeln

Wenn ich für kleine Drehorgeln arrangiere, halte ich mich meistens an einen Standardablauf – einen Ablauf, der anhörbare Ergebnisse mit nicht zu viel Aufwand erreichen soll. Vermutlich sind die Punkte, die ich im Folgenden erkläre, sehr auf mich und meine Art Musik zu schreiben zugeschnitten. Es würde mich trotzdem freuen, wenn der eine oder andere Leser oder die eine oder andere Leserin einen kleinen Nutzen daraus zieht...

Hier ist eine Abfolge von elf Punkten für das Arrangieren eines Musikstückes. In Wirklichkeit halte ich mich nicht genau an diese Liste: Manche Punkte erledige ich gruppenweise; oder ich sortiere um. Aber zumindest für Auftragsarrangements und vor allem bei Musik, die mir nicht wirklich liegt, arbeite ich diesen Plan ziemlich methodisch ab, um ein akzeptables Ergebnis (hoffe ich) zu bekommen:

  1. Anhören des Stückes, um die passende Tonart fürs Arrangieren herauszufinden
  2. Basslinie heraushören
  3. Melodie schreiben
  4. Basslinie schreiben
  5. Melodie harmonisieren
  6. Begleitung ergänzen
  7. Gegenmelodie ergänzen
  8. Verzierungen ergänzen
  9. Korrigieren überlappender und zu schneller Noten
  10. Notenlängen anpassen, besonders Legato und Staccato
  11. Tempo im Detail festlegen
Die ersten vier Schritte mache ich am liebsten auf dem Sofa, mit einem CD-Player mit Fernbedienung, und möglichst weit weg von meiner Familie. Der Grund für letzteres ist, dass ich kurze Teile des Stücks (bis zu Sekunden-Teilchen herunter) so unendlich oft anhöre werde, dass das niemand lange aushält.

Manchmal – hauptsächlich bei Auftragsarrangements – habe ich als Grundlage nicht eine Aufnahme, sondern irgendwelche Noten. In vielen Fällen ist darin nur die Melodie notiert, oder die Melodie mit einigen Akkordsymbolen. In noch selteneren Fällen bekomme ich Klaviernoten. Aus dem "Anhören" wird dann natürlich ein "Lesen" – aber ich verwende die Noten üblicherweise nicht direkt für das Arrangieren, weil sie von Tonumfang, Tonart und Klang praktisch nie auf die Drehorgel passen. Stattdessen "höre ich lesend" (was ich im Großen und Ganzen kann) – wenn man darin ungeübt ist, ist es besser, sich das Stück auf dem Klavier oder der Gitarre vorzuspielen. Seit allerdings Youtube sich so verbreitet hat, sendet mir kaum wer noch Noten, sondern ich bekomme fast immer nur einen Youtube-Link – damit bin ich meistens ganz zufrieden.

Die Melodie und Basslinie schreibe ich also immer nach dem Gehör von vorne neu auf, ohne auf irgendwelche Noten zu schauen: Dadurch beschäftigt man sich intensiver mit Melodie, Harmonien und Rhythmus und wird dadurch mit dem Stück vertraut: Das hilft einem sehr bei den späteren Schritten, meistens spart man dadurch dort sogar Zeit!

Im Gegensatz zum Rest dieser Website bedeuten schwarze Noten hier nicht, dass dahinter eine anhörbare Datei liegt. Wenn jemand wissen will, wie Notenbeispiele hier klingen, dann kann ich nur empfehlen, sie mit einem Notenprogramm abzuschreiben und dann abzuspielen. Dabei sollte man das Tempo extrem reduzieren, z.B. auf MM 40 (40 Viertel je Minute) statt der üblichen MM 120. Darüberhinaus hilft es, wenn man verschiedenen Stimmen verschiedene Instrumente zuweist – z.B. Okarina als Grundstimme, Akkordeon für eine Stimme, die man heraushören möchte. Die Zuweisung von Klavier (Piano) ist keine gute Idee, weil der Klavierton im Gegensatz zum Orgelton verklingt und dadurch sein Ende, aber auch manche Harmonien nicht klar hörbar sind. Mit diesen Hilfsmitteln kann man einen Ausschnitt eines Musikstücks sozusagen "durchs Mikroskop betrachten" (moderne Technik wie MIDI und MP3-Player helfen hier beim Lernen ungemein!). Darüberhinaus soll man natürlich Musikstücke auch immer im echten Tempo anhören.
Alle Notenbeispiele auf dieser Seite sind für 20er-Drehorgel, außer wenn etwas anderes angemerkt ist. Vielleicht kann man daran sehen, was auf dieser kleinen Skala alles möglich ist...

1. Anhören, um die passende Tonart zu finden

Auf 20er-ORgeln (die in B gestimmt sind) gibt es drei Dur-Tonarten, die sich für Arrangements eignen: B-Dur, F-Dur und C-Dur. Darüber hinaus kann man in drei Moll-Tonarten akzeptable Ergebnisse erreichen: d-Moll, g-Moll und c-Moll. Im ersten Schritt des Arrangierens höre ich mir das Stück intensiv an und versuche es in einer dieser Skalen anzuordnen, mit den Beschränkungen der Skale: Der höchste Ton (d" bei Stimmung in B) darf nicht überschritten werden, und der wichtigste Halbton muss passend zur Skala fallen (erhöhte 4.Stufe in B, erniedrigte 7.Stufe in F, erniedrigte 3. Stufe in C). Prinzipiell kann das bis zu sechs "Hördurchläufe" erfordern: Drei, um die Melodie zu platzieren, und drei weitere, um zu prüfen, ob die Basslinie für die gewählte Tonart möglich ist. Bei jedem Durchgang muss man für jeden einzelnen relevanten Ton sicher sein, dass er sich mit der gewählten Tonart spielen lässt. Was sind relevante Noten? Das sind jene, anhand derer ein Hörer oder eine Hörerin das Stück identifiziert – die also unbedingt gehört werden müssen, sonst klingt es "falsch". Wenn man diese Noten nicht in der Skala unterbringt, dann lässt sich das Stück nicht für die gewählte Skala (etwa 20er) arrangieren...

... obwohl man manchmal mit einem Trick eine fehlende Noten "simulieren" kann. Hier sind einige solche Tricks:

Wie auch immer – zumindest in schnelleren Teilen oder in Übergängen kann man diese Tricks verwenden, um sich über ein Problem hinüberzuretten.

Auf Orgeln mit geteilten Registern muss man auch überprüfen, ob die Melodie ein Teilregister verlässt, sodass "Tonlöcher" entstehen. Auf vielen 20ern beginnen etwa die lauteren Register (2-Fuß, Mixturen) erst beim g, a oder sogar b. Wenn man die Melodie nicht vollständig oberhalb einer solchen Grenze legen kann, dann klingt sie beim Spielen, als ob sie "Löcher" hätte – sie kann dann nur ohne diese hellen Register gespielt werden. In einigen besonderen Fällen kann man allerdings über so eine Grenze hinwegarrangieren – hier ist ein Beispiel vom Anfang von "She's Too Fat For Me". Die zwei roten Noten werden (auf meiner Orgel) nur im tieferen Register gespielt. Ab dem a spielt dann das höhere Register mit:

Bei einer Tonleiter von oben nach unten ist diese Technik allerdings kaum möglich.
 

Ich habe es mir zur Regel gemacht, keinen der drei Durchläufe zum Bestimmen der Melodietonart auszulassen: In manchen Fällen musste ich bei einem zweiten oder dritten Anhören meine Annahme, dass sich ein Stück "sicher nur in dieser Tonart" arrangieren lässt, über Bord werfen. Aber sogar wenn die Tonart von Beginn an feststeht, ist es keine schlechte Übung, im Kopf ein Stück in einer anderen Tonart "mitzuspielen".

2. Basslinie heraushören

Wie die Melodie muss auch die Basslinie auf die Orgelskala passen. Das ist einerseits leichter, andererseits schwerer als bei der Melodie: Wenn die originale Basslinie wichtige Töne enthält, kann man diese manchmal in die Gegenmelodie legen und darunter mit einem "08/15-Bass" begleiten (so was Ähnliches habe ich bei den "Alten Kameraden" gemacht).


Die zwei ersten Schritten sind bewältigt: Zu diesem Zeitpunkt hat man entschieden, ob das Arrangement überhaupt möglich ist. Wenn ja, ist auch die Tonart des Arrangements festgelegt, und für alle wichtigen Töne – sowohl in der Melodie wie im Bass – hat man sich auch schon überlegt, ob sie in die Skala passen oder mit welchen Tricks man ihr Fehlen kaschiert. Jetzt (erst) beginnt man die Noten zu schreiben: Mit dem Bleistift auf Papier oder – heute wohl fast ausschließlich – mit einem Notenprogramm (als Randbemerkung: ich verwende praktisch ausschließlich Noteworthy Composer – billig, kann praktisch alles, was man zum Notieren braucht, und erlaubt eine sehr schnelle Eingabe ausschließlich über die Tastatur).

Die Notensysteme organisiert man nach meiner Erfahrung "funktional": Jede "Funktion" oder "Stimme" erhält ihre eigene Notenzeile. Im folgenden Bild sieht man das Muster, das ich zum Arrangieren für kleinere Skalen wie 20er oder 26er verwende. Je nach Stück lösche ich natürlich die eine oder andere Zeile – fast kein Stück hat sowohl eine Überstimme wie auch eine Gegenmelodie. Andererseits habe ich festgestellt, dass schon die leere Gegenmelodie-Notenzeile mich dazu bringt, dass ich an einigen Stellen einen kleinen Melodieeinwurf ergänze. Bei größeren Orgeln, etwa mit eigenen Trompetenspuren, ergänze ich natürlich ein oder zwei weitere Systeme:

Wegen dieser "funktionalen Schreibweise" rate ich dringend, zum Arrangieren nicht einen typischen "MIDI-Editor" zu verwenden. Diese Programme bieten praktisch immer nur zwei Notenzeilen für "Klaviernoten" an, was beim Schreiben mehrere unabhängiger Stimmen enorm einschränkt.

Die nächsten zwei Schritte (3. und 4.) könnte man unter der Überschrift "Schreiben eines Rahmenarrangements" zusammenfassen. Wenn man mit beiden fertig ist, hat man das Arrangement im Großen und Ganzen festgelegt – nur wird es ziemlich fade klingen.

3. Melodie schreiben

Melodieschreiben kann leicht sein – oder schwer. Mit den Tricks aus Schritt 1 im Kopf (oder auf einem Schmierzettel) macht man sich ans Notieren. Ein paar Ratschläge: Hier sind ein paar Stücke, bei denen mich das Schreiben der Melodie jeweils Stunden gekostet hat:

4. Basslinie schreiben

Die Basslinie hat auf einer kleinen Drehorgel drei Funktionen:
  1. Sie liefert die Grundtöne der Harmonisierung für die oberen Stimmen.
  2. Auf Orgeln ohne Trommeln (häufig bei kleineren Drehorgeln) ist sie für den Grundrhythmus verantwortlich.
  3. Zuletzt soll eine Basslinie selbst auch eine "logische melodische Linie" bilden.
In vielen (sehr vielen!) Fällen wird die Basslinie eine I-IV-V-Harmonisierung vorgeben. Auf der 20er-Skala ergibt das für die drei Dur- und die drei Molltonarten folgende Basstöne und Harmonien:

Offensichtlich kommt man diesen wenigen Tönen nicht wirklich aus, unter anderem aus folgenden Gründen: Deshalb ist es meistens sinnvoll, Umkehrungen der Akkorde zu verwenden, also andere Töne aus den I-IV-V-Akkorden in den Bass zu legen. Hier sind die Standardbasstöne für die wichtigsten Tonarten auf der 20er-Skala, mit grob ergänzten Harmonien:

Mit allen diesen Tönen kann man ganz nette Basslinien schreiben, wie zum Beispiel diese:

Manchmal sind in der Basslinie "relevante Noten", also Noten, anhand derer ein Zuhörer ein Stück identifiziert oder einer Gattung zuordnet. Das bekannteste Beispiel sind die Basslinien von Blues und Boogie. Ein anderes Beispiel ist der Anfang von Johann Strauß' "Perpetuum mobile" (das ungefähr mit dem gerade gezeigten Bass beginnt). In vielen Fällen führen solche umfangreicheren Basslinien dazu, dass man ein Stück für 20er oder andere kleine Skalen nicht arrangieren kann. Wenn aber die Melodie nur einen begrenzten Tonumfang hat, kann doch genügend "Platz" für einen ausgreifenderen Bass vorhanden sein. Ein Beispiel dafür ist mein Arrangement des Boogie Woogie Bugle Boy (das war mein erstes Arrangement für 20er-Skala, im Oktober 1999). Hier ist ein Beispiel für die Basslinie samt Begleitung vom Anfang...

... und irgendwo aus der Mitte:

Allerdings hört man auch bei dieser Basslinie, dass die höheren Noten – ungefähr ab dem f – in den Begleitakkorden oder sogar der Melodie "verloren gehen". Daher habe ich am Anfang den Bass als Solo "vorgestellt", sodass der Zuhörer sich später daran erinnert und die Akkorde und Harmonien "in das Gehörte hineinhört".

Natürlich gibt es auch Stücke, wo man mit den I-IV-V-Harmonien nicht auskommt – dann wird es noch schwieriger, gute Bassnoten zu finden. Trotzdem geht, mit intelligentem Weglassen von Akkordtönen, mehr als man glauben würde: Mein Arrangement von Jelly Roll Mortons Shreveport Stomp hat (ab 0:44) eine Reihe von entfernteren Harmonien, die mn auf der 20er-Skala selten findet:

D7, g-Moll, E7, a-Moll, Es, B7)

Bei Skalen mit mehr Tönen – schon die Alderman 26er, deutsche 26er und die 31er gehören dazu – fallen diese Einschränkungen allerdings ziemlich weg. Anders gesagt, kann man sich mehr um die "Bass-Punkte" 2. und 3. oben kümmern.

Der Bass-Rhythmus der meisten Stücke ist relativ einfach: Bassnoten fallen auf die schweren Taktteile. Zusammen mit den typischen Begleitungen entstehen daraus die Standard-Tanzrhythmen: Walzer, Boogie, Marsch, Foxtrott, Samba usw.usf. Wenn ein Arrangement den Zuhörer fesseln soll, dann bevorzugt man solche Standardrhythmen. Bei Musik aber, die keine Show abziehen" muss, kann man freier, "künstlerischer" arrangieren. Ein Beispiel für ein solches Arrangement ist etwa meine kleine Fantasie über "Joy to the World".

Höre ich mir mein Arrangement an, während ich es noch schreibe?

Alle modernen Notenprogramme haben die Möglichkeit, dass man sich die bisher geschriebenen Noten anhört. Damit findet man Fehler viel schneller (weil sich ein Akkord oder Melodieton falsch anhört), und man kann auch überprüfen, ob ein Arrangement so klingt, wie man sich's vorstellt. Trotzdem versuche ich dieses Anhören während des Schreibens aus zwei Gründen so weit es nur geht zu vermeiden: In späteren Schritten, wenn es mehr um musikalischen Ausdruck geht, höre ich mit das Arrangement am Rechner schon an, allerdings muss man eben wissen, was am Ende aus dem, was man notiert, herauskommt.

5. Melodie harmonisieren

In diesem Abschnitt rede ich die die direkte Harmonisierung der Melodie, also die Ergänzung von melodie-parallelen Noten. Natürlich zählen in weiterem Sinne auch Basslinie, Begleitung, Gegenmelodie und sogar Verzierungen zur Harmonisierung – dazu gibt es aber getrennte Abschnitte.

Keine Harmonisierung

Die einfachste Harmonisierung ist keine Harmonisierung. Das ist vollkommen in Ordnung, und man sollte es sogar für etwas größere Orgeln mit starken Melodieregistern als erste Option in Erwägung ziehen – weil es folgende Vorteile hat: Die Nachteile, andererseits, sind:

Harmonisierung mit Terzen und Sexten

Harmonisierung mit Terzen und Sexten ist die Grundlage der (mitteleuropäischen) Volksmusik. Hier ist ein Beispiel (das man vermutlich sofort erkennt):

Auf der fast diatonischen (als nicht chromatischen) 20er-Skala muss man manchmal sehr aufpassen mit Terzparallelen. Hier ist der originale Anfang der "Petersburger Schlittenfahrt" von Richard Eilenberg, mit chromatisch geführten Terzparallelen:

Auf der 20er-Skala fehlt das cis, aber man könnte meinen, dass man so darum herum arrangieren könnte:

Das ist aber schlecht. Warum? Im Original oben stehen nur kleine Terzen. Wenn man das cis aber durch ein c ersetzt, dann erhält man in der Mitte eine große Terz, die "den Abstand zu weit öffnet"; "die Melodie nach unten zieht"; etwas "aus der Reihe fällt". Es ist schwierig, den Effekt mit Worten zu beschreiben, aber er ist da. Tatsächlich verzichtet eine bessere ("korrekte"?) Harmonisierung auf die Terz in der Mitte und verwendet eine liegenbleibende Unterstimme:

Der Ersatz der kleinen Terz durch eine Sekunde (oder eine "verminderte Terz"?) hält die eng aneinander liegenden Stimmen zusammen, ohne diesen "Abstandseffekt".

Hier ist ein ähnliches Rätsel: Wie kann man diese Melodie auf die 20er-Skale übersetzen?

Die Lösung:

Eine Sekund, wie im vorherigen Beispiel, klingt hier nicht akzeptabel. Die große Terz (mit c in der Unterstimme) ist etwas besser, hat aber auch diesen "Abstandsöffnungseffekt". Die Rückkehr zum b aber ist harmonisch korrekt, weil das b im Tritonus-Akkord b+cis+e vorkommt. Und dieser "im Kopf klingende" Tritonus-Akkord hat eine korrekte, in kleinen Terzen laufende Unterstimme! Trotzdem gibt es andere Lösungen, wie etwa:

Die erste Möglichkeit gibt die parallelen Terzen ganz auf und ersetzt sie durch eine Art Orgelpunkt am b. Die zweite Möglichkeit ergänzt eine kleine Zusatzmelodie, die das d umspielen. Diese Melodielinie rechtfertigt die ziemlich unerwartete und dissonante kleine Sekund es+e.

Harmonisierung mit Oktaven

Harmonisierung mit Oktaven ist einfach, aber man soll sie möglichst vermeiden, weil Oktaven eher "leer" und "hohl" klingen. Andererseits können sie "klar" und "solistisch" sein. Ein berühmtes Beispiel für nackte Harmonisierung mit Oktaven ist der Beginn von Haydns Symphonie mit dem Paukenschlag.

Harmonisierung mit "typischen Akkorden"

Gewisse Arten von Musik verlangen oft bestimmte Akkorde: Wenn man solche Akkordtypen passend einsetzt, kann man oft ziemlich viel des musikalischen Eindrucks vom Original auf eine kleine Orgel hinüberretten, obwohl deren liebliche Flötenstimmen gar nicht so passend für ein Jazzstück klingen mögen. Hier ist ein eher exzessives Beispiel für die Verwendung von Jazz-Akkorden am Beginn eines Arrangements von "You made me love you" für die Alderman-26er-Skala:

Als letzte Anmerkung möchte ich noch betonen, dass eine korrekte Harmonisierung nach meinen Dafürhalten einer der Grundbausteine eines jeden Arrangements ist. Man hört leider eine ganze Menge von 20er-Arrangements, wo die Akkorde eher zufällig verteilt wurden, oder vielleicht nach irgendeinem Lehrbuchwissen, aber ohne Gehör für richtige Harmonien. Die Grundlagen der klassischen Harmonielehre gelten heute wie vor 200 Jahren, auch für alle Arten von Unterhaltungsmusik, wie man in vielen Musikforen nachlesen kann. Einfach einen Akkord der fünften Stufe überall dort unterzubringen, wo man nicht mehr weiterweiß, ist keinesfalls genug.

6. Begleitung ergänzen

Meistens bilden Bass und Begleitung eine gemeinsame "Stimme". Daher wird man die Begleitung oft zusammen mit dem Bass skizzieren. Trotzdem sollte man auf die Begleitung danach noch etwas mehr Zeit verwenden und zum Beispiel auch in der Begleitung gesangliche und interessante Linien unterbringen. Hier ist noch einmal Stille Nacht als Beispiel:

Eine einfachere Begleitung könnte so aussehen:

Obwohl die zweite Begleitung sicher nicht falsch ist, ist sie doch weniger interessant als die erste: Während die zweite einem einfachen Walzermuster folgt, kombiniert die erste aufsteigende Dreiklänge (b, d, f) mit einem leichten "Walzergefühl".

Hier sind zwei weitere Begleitungen, die sich wohl eher über dieses alte Weihnachtslied lustig machen. Das ist sicher nicht immer passend, aber manchmal kann man sich sowas sicher leisten:

7. Gegenmelodie ergänzen

Musik ist dann interessant, wenn zwei Dinge zugleich passieren: Eine typische Möglichkeit, solche "verstehbare Komplexität" zu ergänzen, ist die Einführung von Gegenmelodien, also einer zweiten Melodie, die sich im Hintergrund der Hauptmelodie abspielt. Die einfachsten Regeln für eine Gegenmelodie sehen so aus:
  1. Während die Melodie spielt, bleibt die Gegenmelodie auf einem Ton liegen, oder bewegt sich langsam durch wenige Töne.
  2. Sobald die Melodie pausiert (i.d.R. am Ende einer Phrase), spielt die Gegenmelodie einen "melodischen Einwurf".
Hier sind ein paar Gegenmelodie-Beispiele aus dem 20er-Arrangement des "Sint Jobs Boogie" (der ursprünglich vom Tom Meijer für eine Kirmesorgel komponiert worden ist).
Das erste Beispiel zeigt ein Stück der Gegenmelodie aus dem ersten Abschnitt – einfacher geht es kaum. Die kurzen Schläge überbrücken zwei Pausen der Hauptmelodie (im Original werden die vier Schläge von einer Trommel gespielt – auch Schlaginstrumente können Melodien spielen!):

Am Ende des Abschnitts macht sich die Gegenmelodie ein wenig mehr bemerkbar:

Man beachte, wie die Gegenmelodie Gemeinsamen führen diese Punkte eine "neue Persönlichkeit" ein, die allerdings die ruhelose, vorwärtsstrebende Hauptmelodie nicht zerstört, sondern nur leicht konterkariert.

Im nächsten Abschnitt übernimmt die Gegenmelodie den schnellen Lauf der Hauptmelodie und versucht, tatsächlich "Gegenspieler" von Melodie (und Bass!) zu sein:

Am Ende schließlich gibt es sogar zwei Gegenmelodien: Die obere läuft weiter im schnellen Triolenrhythmus, während die untere – so wie jene zu Beginn – wieder von ruhigerem, bindenderem Charakter ist (obwohl auch sie ein "rastloses Element" enthält – wo?):

(Das "rastlose Element" in der unteren Gegenmelodie ist das f, das ein wenig zu früh, also "off-beat" beginnt. Ein gleichartiger Effekt ist beim b ganz zum Schluss verwendet).

An diesem Arrangement kann man, glaube ich, ganz gut sehen, was ich mit "orchestralem Arrangieren" sogar für kleine Drehorgeln meine: Dieses Mit- und Gegeneinanderspielen mehrerer Stimmen ist einfach interessanter als "nur eine Melodie mit Begleitung"!


Bis zu diesem Punkt ist man als Arrangeur eher Komponist: Man sucht die passenden Noten zusammen, um eine richtig klingende Interpretation des originalen Stückes auf die Drehorgel zu bringen. Bis auf einige Verzierungen, die man später noch einfügt, und vielleicht einige verstärkende Töne in Melodie oder Gegenmelodie ist das nun fertig. In den folgenden Schritten wird man dann mehr zum Dirigenten: Nun geht es darum, den Ausdruck zu verbessern – durch längeres oder kürzeres Aushalten von Noten, durch Tempoveränderungen, aber eben auch durch die Ausführung von Verzierungen.

Ab hier höre ich mir die Arrangements auch an – zuerst am Computer, später manchmal auch auf meiner (auch) MIDI-gesteuerten Orgel. Dieses Anhören ist allerdings auch mit einer gewissen Gefahr verbunden: Man "gewöhnt" sich an sein eigenes Arrangement und denkt nicht mehr über musikalische Alternativen nach. Deshalb sollte man in seinem Kopf, aber auch – damit man's nicht vergisst – auch auf Papier eine Vorstellung von Tempo und Notenlängen an möglichst jeder Stelle haben. Hier ist ein Vorschlag, um diese Vorstellung zu finden:

  1. Man macht einen Ausdruck des Arrangements (oder eine Kopie, wenn man's von Hand geschrieben hat)...
  2. ... und lässt diese Arbeitskopie einen Tag irgendwo herumliegen.
  3. Dann "singt" man sich das Arrangement "im Kopf" vor: Möglichst viele Stimmen zugleich, aber vielleicht auch nur eine oder zwei.
  4. Dabei versucht man sich möglichst genau zuzuhören, wo man Töne betont oder nachlässt; wo man mit dem Tempo anziehen will; wo man kurze Pausen oder auch Fermaten einlegt. Diese Effekt versucht man nun möglichst bewusst zu wiederholen (also möglichst langsam, und vielleicht auch übertrieben). Wenn man einen Effekt für gut hält, macht man eine Notiz auf der Arbeitskopie – "ein wenig schneller", "kl.Pause", gern natürlich auch in musikalischer Notation – "accel.", "caes.", usw.usf.
  5. Man versucht auch, übergreifende Effekte zu beurteilen: Soll das Trio eines Marsches ein wenig langsamer sein? Soll die Wiederholung des Hauptthemas so wie beim ersten Mal sein (um das gleiche "Gefühl" beim Zuhörer zu erreichen), oder soll man im Tempo anziehen (weil der Zuhörer den Teil ja nun schon kennt)? Man kann auch zuerst mit mehr Tempovariation spielen (Ritardandi), beim zweiten Mal "gerader", mehr "taktbetont". Man muss sich entscheiden, wie so oft im Leben – dazu spielt man Zuhörer und denkt sich dabei "So würde es mir gefallen!"
  6. Eine gute Regel ist, alle Effekte etwas zu übertreiben: Kürzeres Staccato, längere Fermate, stärkeres Ritardando. Wir leben nach der Romantik – alles, was damals erfunden wurde, ist uns heute geläufig, vor allem auch in der Unterhaltungsmusik.

8. Verzierungen ergänzen

Triller und andere Verzierungen verschönern seit jeher Musik. Und gerade bei kleinen Drehorgeln ist das Trillern praktisch "Standard-Idiom" – sie haben wenige, oft nur ein Register, und nach einiger Zeit wird ihr Klang dann doch etwas langweilig. Verzierungen bieten kleine und größere Überraschungen, die diese Langeweile vertreiben. Daraus folgt die erste Regel: Verzierungen sollen nicht auf die gleiche Weise immer wieder wiederholt werden – dann hat man nur eine neue Ebene der Langweile eingeführt.

Im Folgenden stehen ein paar meiner Ideen zu Verzierungen (wobei ich kein Verzierungsexperte bin).

Die wichtigsten Verzierungen sind Triller und Vorschläge. Ich schreibe Verzierungen in meinem Notenprogramm immer aus, d.h. notiere jede einzelne zu spielende Note, statt vorhandene "Triller"- oder "Vorschlag"-Features zu verwenden. Nur so kann man die Dauer und Aufteilung der einzelnen Noten genau steuern, was das "Feeling" einer Verzierung drastisch ändern kann: Etwa ob ein Vorschlag vor oder am Taktschlag beginnt, oder ob eine Triole am Ende eines Trillers schneller oder langsamer als der vorherige Triller ist.

Triller

Ein Triller hat einen Hauptton, den wir hauptsächlich hören. In fast allen Fällen ist der Hauptton der tiefere Ton – Triller trillern also in der Regel nach oben. Ein Triller besteht im Allgemeinen aus drei Teilen (für die es im Deutschen m.W. keine Namen gibt, daher sehen hier meine Begriffe):
  • Eine Einleitung,
  • dem eigentlichen Triller, und
  • eine Endfloskel. Meistens mache in die Einleitung relativ langsam – langsamer als den eigentlichen Triller –, was den Beginn etwas betont. Die Einleitung liegt normalerweise ganz oder wenigstens teilweise vor dem Taktschlag, nimmt also der vorhergehenden Note ein Stückchen weg.
    Der eigentliche Triller trillert fast immer mit Triolen. Das klingt "interessanter" als eine Aufteilung in Sechzehntel, Zweiunddreißigstel oder Vierundsechzigstel.

    Hier sind sieben verschiedene Triller in einem Stück (das ich extra dafür schnell notiert habe):

    1. Keine Einleitung, keine Endfloskel;
    2. keine Einleitung, einfacher Nachschlag als Endfloskel;
    3. Triller mit Einleitung – eine lange Achtelnote mit einem Vorschlag im vorangehenden Takt – und Endfloskel – eine "Fermate" auf der vorletzten Note;
    4. ein Triller, der einen Moment lang "den Atem anhält" (oder endet er früher, und die Triole danach leitet schon den nächsten Triller ein?);
    5. ein zweistimmiger Triller;
    6. ein kurzer Triller;
    7. Noch ein kurzer Triller (oder nur ein Doppelschlag mit Einleitung?), der am Ende beschleunigt, sodass die Stimme geradewegs in den nächsten Akkord führt.
    Wenn man einen Triller schreibt, sollte man ihn sich langsam vorsingen (oder -pfeifen): Dann wird einem oft klarer, wo man anhalten oder beschleunigen soll und wo man die Teile des Trillers am besten hinlegt.

    Als ein letztes Beispiel sieht man hier zwei parallele Triller mit verschiedenem Tempo (das ist vom Ende meines Arrangements von Joy to the World – das im letzten Drittel voll von Verzierungen ist):

    Wann verwendet man Triller? Ich finde, da gibt es zwei Möglichkeiten:

    Vorschläge

    Ein einzelner Vorschlag sollte vor dem Schlag beginnen, sodass die Hauptnote am Schlag ertönt. Daher soll man hier (aus meinem Arrangement von "Plink Plank Plunk") die linke Version verwenden

      und nicht diese  

    Das ist aber nur eine Faustregel. Hier ist ein Beispiel (aus dem "Sint Jobs Boogie") wo ich eine Folge von fünf Vorschlagsnoten ein Stück vor dem Taktschlag beginne, aber dann darüber hinweg ziehe – ich finde, es klingt ganz gut:

    9. Korrigieren überlappender und zu schneller Noten

    Wenn man so vergnügt für eine kleine Drehorgel vor sich arrangiert, produziert man wahrscheinlich an mehreren Stellen folgende Probleme:
    1. Man setzt die gleiche Note zum gleichen Zeitpunkt auf verschiedene Systeme, allerdings mit verschobenem Anfang oder Ende. Hier ist ein Beispiel zweier solcher überlappender Noten – das könnte das Ende eines Arrangements in B-Dur sein:

      Wenn diese Musik auf einen Papierstreifen gestanzt wird, wird die Stanzmaschine (oder der Musikzeichner) sich darüber wundern, wann nun das (mittlere) b und d anfangen und aufhören soll. Solche Probleme muss man bereinigen. Das Steuerprogramm für Stanzmaschinen, das ich geschrieben habe, kann eine MIDI-Datei auf solche Fehler prüfen und gibt dann z.B. genau aus, dass im Takt so-und-so sich zwei b überlappen. Mit dieser Information kann man die Überlappung korrigieren, zum Beispiel so:

      Wie man sieht, ist die Reparatur nicht ganz einfach: Man muss sich genau überlegen, wo man welche Note wie auseinanderschneidet, und das dann in seinem Notenprogramm irgendwie notieren (ich habe mir einmal überlegt, das meinem Programm beizubringen. Ich halte es aber für richtiger, wenn der Arrangeur sich das genau überlegt).

      Ein anderes Beispiel für das Umgehen mit solchen Überlappungen kann man ganz am Ende des Trumpet Blues (Takt 113 und 114) sehen, wo zuerst eine steigende und dann eine fallende Tonleiter "durch die Akkorde stolpert".

    2. Noten sind zu kurz, um sie zu stanzen. Auf jeder Drehorgel muss für einen Ton mindestens ein Loch gestanzt werden. Bei 20er-Orgeln und ähnlichen Skalen haben die Löcher 3mm Durchmesser. Damit dieser Ton nun zuverlässig endet und ein neuer Ton auf derselben Tonhöhe beginnt – das nennt man "Repetition" –, muss nach dem letzten Loch des ersten Tones eine "Repetitionsdistanz" von etwa 4mm frei bleiben (damit die Ventile schließen und die Pfeifen zu tönen aufhören). Kürzeste "Ein-Loch-Töne" können daher nur alle 7mm aufeinanderfolgen, was bei einer typischen Bandgeschwindigkeit von 63mm/s einen Zeitabstand von 1/9 Sekunde ergibt. Beim Arrangieren vor allem schnellerer Stücke kommt man öfter über dieses "technische Maximaltempo" hinaus, vor allem in Verzierungen wie Trillern. Im Folgenden sieht man einen solchen Arrangierfehler aus dem Mittelteil von "Plink Plank Plunk" für 26er: Die Sechzehntel der Mittelstimme kann nicht so kurz nach der Zweiunddreißigstel am Ende des Laufes kommen (mein Stanz- und Prüfprogramm zeigt auch solche Probleme an):

      Hier sind zwei mögliche Lösungen:

        oder  

      Links steht die Standardlösung, die ich häufig verwende: Die zwei Noten im zu knappen Abstand werden einfach gebunden. Das Problem mit dieser Lösung ist, dass man oft einen zusätzlichen "Legato-Eindruck" erzeugt, grade an einer Stelle mit kurzen Staccato-Tönen. In solchen Fällen muss man eine radikalere ("musikalischere") Lösung suchen, wie die rechte. Das Argument für das fis ist, dass es zum hohen d "hinaufzieht" und zusätzlich zur (fehlenden) Sext g des folgenden IV.Stufe-Akkords.

    10. Notenlängen anpassen, besonders Legato und Staccato

    Ein Arrangement mit all den bisherigen Zutaten – Melodie und Bass und Gegenmelodie und Harmonisierung und Verzierungen – wird noch immer langweiliger klingen, als es sein müsste: Alle Noten sind mehr oder weniger Legato gebunden – je nachdem, wie das Notenprogramm die Töne in die MIDI-Datei zum Stanzen übersetzt. Aber Musik ist immer Tanzmusik – vielleicht nicht direkt zum Mittanzen, aber im Kopf muss immer ein "tanzender Rhythmus" entstehen, der zum Charakter des Stückes passt. Tanzen aber verläuft nicht nur nach dem "geschlossenen" Legato-Gefühl. Es muss auch andere, "zackigere", überraschendere Elemente in der Musik geben. Neben der Auswahl der Noten und damit Harmonien ist eine ganz wichtige Zutat die Länge jeder Note (dann gibt es da noch das Tempo, über das ich im nächsten Abschnitt rede; und das vierte ist die Dynamik, die allerdings bei kleinen Drehorgeln praktisch fest ist, weil man nur ein oder sehr wenige Register hat).

    Im Gegensatz zum Klavier und vielen Instrumenten, wo man Ausdruck und vor allem Betonung über die Dynamik steuert, macht man das auf Orgeln über die Tonlänge. Die wichtigste Regel ist:

    Um einen Ton zu betonen, muss man die vorhergehende Note kürzen.
    Zusammen mit der offensichtlichen Regel, dass die schweren Taktteile betont werden müssen, folgt daraus, dass die leichten Taktteile ein wenig gekürzt werden müssen, wie in diesem Lied aus Johann Joh.Strauß (Sohn) "Zigeunerbaron":

    Dieses Kürzen und Ergänzen von minimalen Pausen ist nun zugegebenermaßen enorm viel Arbeit. Wenn das Notenprogramm hier handhabbarere Alternativen anbietet, soll man die ausnützen. Im NoteWorthy Composer etwa kann man mit einer "Legato-Staccato" die Noten um jeweils etwa 25% kürzen, was dieselben Tonlängen erzeugt:

    Weitere Beispiele dieser Art von Kürzungen sieht man oben in der Melodiestimme in den "Sint Job's Boogie"-Beispielen.

    Neben dem Kürzen der leichten Taktteile gibt es einige weitere Regeln, die man beherzigen soll oder kann:

    In manchen Fällen ist es auch eine gute Idee, den Tonanfang ein wenig zu verschieben und nicht nur das Tonende (also die Tonlänge zu ändern). Das berühmteste Beispiel dafür ist der Wieder Walzer, wo der dritte Schlag immer eine Spur zu spät kommen soll (und, vielleicht, der zweite Schlag noch eine kleinere Spur zu früh kommen darf). Hier ist ein Beispiel:

    Zum Ausprobieren sollte man diesen Effekt einmal kräftig übertreiben – aber bitte nicht im endgültigen Resultat so belassen, wie das manche Musiker in Wiener Heurigenlokalen tun, deren Walzer dann nur mehr aus Verziehungen zu bestehen scheinen):

    Manchmal kann man auch den Beginn einer Note "in" die vorherige Noten hineinziehen. Ein Beispiel samt Erklärung dafür habe ich weiter oben unter Anhören, um die passende Tonart zu finden für den Schlager "Musik! Musik! Musik!" erwähnt.
    Weitere Beispiele dafür, wie Noten weniger (eine Sechzehntel) oder mehr (eine Achtel) herumgeschoben werden, sieht man im Trio-Teil des Arrangements von "Trumpet Blues And Cantabile". Zum Vergleich kann man sich die arrangierte Version mit der folgenden "geraden" Version der Wiederholung im Trio (ab Takt 64) anhören (in den Noten ist es vermutlich so oder ähnlich notiert – also vollkommen unzureichend für eine anhörbare Interpretation des Stückes:

    11. Tempo im Detail festlegen

    Jede Musik verändert das Tempo unterwegs – weniger bei Boogie Woogie oder Rock, mehr bei einer Ballade. Aber zumindest am Beginn und Ende wichtiger Teile wird über Tempoänderungen Spannung auf- und abgebaut. Bei Drehorgeln kann man natürlich die Wahl des Tempos und der kleine Temposchwankungen dem Spieler an der Kurbel überlassen, der dadurch wenigstens ein bisschen Einfluss auf die Interpretation des Stückes erhält. Für kürzere und kleinere Tempowechsel ist das sicher richtig. Größere oder starke Tempowechsel sollte man aber wohl direkt im Arrangement vornehmen, sie also "in die Rolle stanzen".

    Wie bei den Notenlägen ist es auch hier wichtig, dass man in seinem Kopf eine Vorstellung davon hat, wie sich das Tempo wo ändern soll (und eigentlich auch wieso). Zuerst schreibt man sich das mit ein paar Notizen in seine Noten. Gegen Schluss der Arrangiererei bringt man die Tempoänderungen ins Arrangement – dabei soll man sie nach meiner Erfahrung um ein gutes Stück übertreiben. Dann lässt man das Arrangement einen Tag lang liegen... und hört es sich danach an. Wenn's nicht passt: Noch einmal das Ganze.

    Hier sind ein paar Standardregeln für das Tempo:

    Wie die Regeln für die Notenlängen sind auch das nur Faustregeln – grade für interessante Effekte macht man manchmal vielleicht genau das Gegenteil...

    Hier sind zwei Beispiele von detaillierten, teils sehr großen Temposchwankungen. Beide sind klassische Stücke, wo so ein "Tempo-Arrangement" besondere Effekte der originalen Komposition deutlich machen kann. Das erste Stück ist der Anfang von Georg Friedrich Händels Allegro aus der Wassermusik:

    Das 72er-Tempo auf der ersten Note führt dient dazu, den ersten Akkord stark zu betonen. Dann folgt jeder Takt im wesentlichem demselben Muster: Zuerst wird bis zum letzten Taktdrittel beschleunigt – man spürt diesen vorwärts-strebenden Effekt ziemlich deutlich –, dann wird ritardiert, um den ersten Schlag des folgenden Taktes zu betonen. Diese Tempowechsel laufen mehr oder weniger durch das ganze Stück, mit leichten Abweichungen und einigen besonderen Ausnahmen (die man durch Anhören auf der Arrangement-Seite herauszuhören versuchen kann!).

    Das zweite Stück ist Johann Strauß' Pizzicato-Polka. Hier sind die ersten 19 Takte (nach der kurzen Einleitung). Rote Markierungen zeigen Tempoerhöhungen an, blaue sind Temporeduktionen:

    Das ganze beginnt mit einem drastischen "Bremsmanöver" nach der Einleitung auf Tempo 40 zur ersten Note, um Spannung aufzubauen. Von dort an beschleunigt jede Phrase und verzögert dann hin zum Beginn der nächsten Phrase. Die Tempi der einzelnen Phrasen nehmen aber immer mehr zu: Die erste Phrase endet mit Tempo 180, die nächste mit 195, die dritten mit 200 (nachdem sie in der Mitte 220 erreicht), dann 220 (Takt 14) und schließlich 250. In der Wiederholung wollte ich zu einem langsamen Tempo wie am Anfang zurückkehren, deshalb wird auf 150, 120 und schließlich 60 heruntergebremst (aber nicht die originalen 40 – das reine Warten erzeugt nicht mehr dieselbe Spannung wie am Anfang) – und dann geht's von vorn los!
     

    Das ist das Ende meines kleinen "Arrangierkurses für kleine Drehorgeln". Ich hoffe, ich habe etwas Interessantes erzählt – wenn das der Fall ist, aber auch bei Kritik freue ich mich über eine E-Mail:

    E-Mail to harald_m_mueller@gmx.de

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    © 21.11.2014 H.M.Müller